- Die Ausstellung „Asyl ist Menschenrecht“ können Sie sich als PDF-Datei ansehen oder herunterladen.
Zur Eröffnung
Grußwort von Pfarrer Matthias Loesch
für den Sprecherkreis der Flüchtlingshilfe Neu-Isenburg
anlässlich der Ausstellungseröffnung von Pro Asyl
im Rathaus Neu-Isenburg am 19.09.2016
Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, liebe Anwesende,
ich heiße Sie, auch im Namen der Flüchtlingshilfe Neu-Isenburg, sehr herzlich willkommen zur Eröffnung einer besonderen Ausstellung von Pro Asyl. Wir als Flüchtlingshilfe sind froh und dankbar, dass die Stadt Neu-Isenburg es ermöglicht, diese Ausstellung, die sicherlich so manche Diskussion auslösen und provozieren wird, im Rathaus zu zeigen.
Denn, Pro Asyl ist dafür bekannt, dankenswerter Weise Klartext zu reden, also jenseits schöner und glatter Sonntagreden Fakten zu präsentieren, denen wir uns, ob wir wollen oder nicht, ob sie uns schmecken oder nicht, zu stellen haben.
Dazu gehört eben auch, über den Tellerrand hinauszuschauen und sehr genau die Fluchtgründe und Fluchtursachen zu benennen, die Menschen dazu bringen, ihre Heimat aufzugeben, in der vagen Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Und wir werden dabei entdecken: auch wir, der sogenannte Westen, unser Europa und unser Land, sind da als Folge unserer Politik und unserer Lebensart in vielerlei Hinsicht auf vielfältige Weise massiv hineinverstrickt in die Ursachen und Gründe, die zu Flucht und Migration führen. Anders gesagt: wir sind für diese Entwicklung mitverantwortlich und können uns daher, auch angesichts der Globalisierung, nicht, wie viele es sich offenbar wünschen, raushalten.
Und genau so werden wir damit auch befasst bleiben: wer meint, wir könnten uns davor verschanzen, wir könnten uns mit Trutzbundmentalität da raushalten und als Festung Europa uns damit die Menschen vom Hals halten, die schon auf dem Weg sind, oder sich auf den Weg machen, der betrügt sich selbst. Gerade wenn wir die Fluchtgründe und Fluchtursachen ernst nehmen, werden wir erkennen: der Strom der Menschen, die ein besseres Leben suchen, wird bleiben. Vielleicht auf anderen Wegen als bisher, aber er wird bleiben, wenn wir nicht – und da trägt eben auch der Westen besondere Verantwortung – global umsteuern. Es lohnt sich daher, sich zum Beispiel mit den Anregungen auseinanderzusetzen, die in diesen Tagen der Club of Rome zur globalen Zukunft der Weltfamilie veröffentlichte. Und bringen wir es doch auf den Punkt: unzähligen Menschen weltweit geht es doch so, wie es in der schönen Geschichte von den Bremer Stadtmusikanten heißt: „Komm mit, denn etwas Besseres als den Tod werden wir überall finden.“
Auch die Ausstellung, die heute hier eröffnet wird, hilft uns, genau hier zu Klarheit und neuen Einsichten zu kommen.
Der Platz der Flüchtlingshilfe ist in all dem freilich primär der Platz an der Seite der Menschen, die zu uns gekommen sind und zu uns kommen. Zum einen, weil wir nach all dem Dunkel und all dem Schrecken Deutscher Geschichte es für einen humanitären Schatz halten, das unser Grundgesetz pro Asyl ausgelegt ist und es zur Ethik unserer freien und offenen Gesellschaft gehört, Notleidenden und Schutzsuchenden beizustehen und die Türen zu öffnen.
Und, um es deutlich zu sagen: das hat nichts mit infantiler, rosaroter Sozialromantik zu tun, nicht mit einfältigem Gutmenschentum oder einer gerade mal hippen Willkommenskultur. Wir sehen sehr wohl, wo es schwierig ist und schwierig sein wird in unserer Gesellschaft, bei dieser kolossalen Aufgabe, so viele Menschen aufzunehmen und ihnen gute Nachbarn zu sein. Da kommen wir mit Sprüchen nicht weiter, da muss hart, konkret und im Detail gearbeitet werden und wo es so richtig knirscht im Kitt unserer Gesellschaft, gilt es, mit Vernunft und Sachverstand, aber eben auch mit Überzeugung klarer Kante tragfähige Lösungen zu finden. Genau dabei arbeiten unzählige Menschen in unserem Land in den Flüchtlingshilfen und Hilfsinitiativen mit. Die reden nicht nur, die packen an und suchen nach Wegen, die tragen und in die Zukunft führen – leider wird das zu wenig in der Öffentlichkeit bemerkt und unsere Arbeit wird oft auf naives Helfertum reduziert.
Und warum sich Menschen dem verschrieben haben, mitzuhelfen, dass wir eine Gemeinschaft nicht nur einer beliebigen Toleranz, sondern eine Gemeinschaft der Solidarität mit den zu uns Kommenden sind und bleiben, das ist einfach gesagt: weil da nicht zuerst Flüchtlinge, Migranten, Syrer, Somalier, Eritreer, Afghanen, Iraker, Iraner, Muslime, Christen oder sonstige zu uns kommen, sondern Menschen.
Und wo es um den Menschen geht, da sind wir, wie es mir kurz vor seinem Tod noch mein alter Freund Hans Koschnik einmal sagte: „Da sind wir verpflichtet“. Und wie verräterisch ist doch Sprache, wenn dem gegenüber auch in der Politik von der nötigen Solidarität mit Menschen in Not dauernd nur als einer „Flüchtlingskrise“ geredet wird.
Ja, Menschen sind gekommen, kommen und werden kommen und das heißt natürlich, da kommt – weil es eben um Menschen geht – weder Engel noch Teufel, wie es der großartige Philosoph Blaise Pascal einmal formulierte, es kommen Menschen, mit Stärken und Schwächen, mit hellen und dunklen Seiten – wie das eben bei uns allen so ist in jeder menschlichen Gemeinschaft, in jeder Gesellschaft.
Und es ist empörend, wenn ständig da mit zweierlei Maß und doppelter Moral gemessen wird: Man denke nur daran, wie intensiv und immer wieder, noch Monate später, Talkrunden rauf und runter, Vorfälle wie in Köln oder jetzt in Bautzen hochgefahren werden. So, als stünde die Republik vor dem Kollaps, während die permanente sexualisierte Gewalt in unserer Gesellschaft, die sich nicht selten unter anderem auch bei den so beliebten und großinszenierten Volksfesten austobt, ebenso hingenommen wird, fast wie ein Kavaliersdelikt, wie mehr als tausend Übergriffe, inklusive Brandanschläge und Mordversuche auf sogenannte Fremde in einem Jahr, Tendenz steigend. Oder der ungenierte öffentliche Aufmarsch rassistischer Mobs, per Internet verabredet, wie z. B. auch jetzt in Bautzen. Auf der einen Seite die ständige Rede davon, wie sehr doch Flüchtlinge und Migranten die innere Sicherheit gefährdeten und weil das eine Bedrohung sei, müsse eben – und das sei ein alarmierendes Zeichen und belaste die Kassen und somit den berühmten Steuerzahler – verstärkt Polizei eingesetzt werden. Auf der anderen Seite aber wird es, quasi wie ein Naturgesetz und wie selbstverständlich als das schlicht Normale hingenommen und nicht als Bedrohung der öffentlichen Ordnung wahrgenommen, weil es wohl zur deutschen Gesellschaftskultur gehört, dass Woche für Woche abertausende von Polizisten, aus Steuermitteln finanziert, eingesetzt werden, um Fußballfans, im Osten sogar bis in die fünfte oder sechste Liga hinunter, daran zu hindern, sich gegenseitig krankenhausreif und in den Rollstuhl zu prügeln, oder gar tot zu schlagen – und Ihr könnte mir glauben, ich weiß, wovon ich rede. Flüchtlinge und Migranten habe ich da jedenfalls noch keine gesehen.
Auf der einen Seite, wenn etwas vorgefallen ist, gleich der empörte Aufschrei und der massive Ruf nach politischen Konsequenzen, um den inneren Frieden zu retten, in der Regel nach Abschottung und Abschiebung – auf der anderen Seite aber heißt es dann lediglich: Naja, ein paar unbelehrbare Chaoten, ist halt so, das kann uns aber die Freude am Fußballfest nicht verderben.
Zweierlei Maß, wohin man blickt. Warum eigentlich, wo es doch um Menschen geht. Und es bedeutet schon etwas, wenn ausgerechnet ich, dem man gern den Titel Kickers-Pfarrer, den Eintracht-Trainer Niko Kovač zitiere, der, einst selbst Flüchtling, angesichts seiner Multi-Kulti-Truppe und der Frage, wie er damit zu Rande komme, so schön sagte: „Was uns alle verbindet, ist das Menschsein!“
In diesem Sinne wünschen wir der Ausstellung viel Erfolg, der Gestalt, dass sie Herzen zu öffnen und die Vernunft zu schärfen vermag.