Neu-Isenburg 21.04.2024
Redebeiträge kamen von Bürgermeister Gene Hagelstein, Erster Stadtrat Stefan Schmidt, Pfarrerin Silke Henning und drei Jugendlichen (Ev. Johannesgemeinde), Caroline Zirkel (Bündnis 90/Die Grünen), Michael Kaul (Flüchtlingshilfe N-I) Markus Munari (SPD), Edgar Schultheiß (Die Linke).
Musikalisch begleitet wurde die Kundgebung von Nicole Basadre & Gabi Schneider, dem lokalen Ukraine Chor, Juliane da Silva & Geovany.
Redebeitrag Michael Kaul:
Neu-Isenburg wurde vor 325 Jahren von hugenottischen Glaubensflüchtlingen gegründet. Heute leben Menschen aus über 100 verschiedenen Nationen in unserer Stadt – das heißt:
Wir leben die Vielfalt! Und: Die Demokratie, das sind wir!
Bereits 1984 wurde in Neu-Isenburg eine erste Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete errichtet. Engagierte Neu-Isenburger gründeten damals die Flüchtlingshilfe. Seit 2017 agieren wir als gemeinnütziger Verein, der konfessionell und politisch unabhängig ist.
In diesen 40 Jahren gab es immer wieder Zeiten, in denen gegen die Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchten, Stimmung gemacht wurde. Anfang der 90er Jahre gab es Anschläge etwa in Mölln, Hoyersverda und Solingen.
Heute kommen Hass und Hetze aus rechtsradikalen Kreisen, aber auch von Parlamentariern. So war es vor ein paar Wochen bei der Infoveranstaltung der Stadt Neu-Isenburg zur neuen Gemeinschaftsunterkunft im Birkengewann. Bernd-Erich Vohl, der Stadtverordnete und Landtagsabgeordnete der AfD, behauptete: Es sei ja allgemein bekannt, dass die Integration von Flüchtlingen vollkommen gescheitert sei.
Ich habe mich sehr gefreut, dass diese Behauptung bei vielen Besucherinnen und Besuchern sowie unserem Bürgermeister auf lauten Protest stieß.
Wie weit dieser unsinnige Quatsch von der Realität entfernt ist zeigen einige Beispiele aus Neu-Isenburg.
Wir schreiben seit Jahrzehnten Erfolgsgeschichten gelungener Integration und respektvollen Miteinanders. Auch ein Großteil der seit 2015/2016 angekommenen Menschen hat es geschafft – hat Schulabschluss, Ausbildung oder Berufsanerkennung erreicht. Sie leben und arbeiten inzwischen hier als Bäcker, Kfz-Mechaniker, Anlagenmechaniker, Elektrotechniker, Arzthelferin, Industriekaufmann, Altenpflegehelferin, Bauingenieur, Assistenzarzt oder Zahnärztin.
Wie wichtig, ja unverzichtbar diese Arbeitskräfte für unsere Gesellschaft sind, hat Andreas Schmitt, der Chef von Café Ernst gesagt: „Ohne die Mitarbeiter mit Migrationshintergrund gäbe es kein Bäckerhandwerk mehr in Deutschland!“
So titelte auch die Offenbach Post: „Das Handwerk macht gute Erfahrungen mit Geflüchteten“.
Die Schulen und Ausbildungsbetriebe helfen Geflüchteten bei der Integration und die so Ausgebildeten helfen wiederum unserer Gesellschaft als Fachkräfte. Wären da nicht so zahlreiche Hürden und Hindernisse zu überwinden, bis Asylbewerber hier lernen und arbeiten dürfen, hätten wir bereits weit mehr Fachkräfte haben können.
Viele Menschen engagieren sich, um unsere Gesellschaft etwas besser zu machen. Schließlich wollen die Geflüchteten auch ihre Erfolgsgeschichten zeigen und damit gegen die negativen Bilder in den Köpfen einiger Bürgerinnen und Bürger angehen. Dutzende junger Menschen mit Migrationshintergrund haben sich in Neu-Isenburg als Integrationslotsinnen bzw. Integrationslotsen qualifiziert und helfen nun selbst den neu ankommenden Flüchtlingen in unserer Stadt. In einer Nachbarkommune (Rodgau) hat sich ein Verein von Geflüchteten gegründet „Wir sind angekommen“, mit dem Ziel, Vorurteile abzubauen und Neuankömmlingen zu helfen.
So sagt Mahmoud Haji, der Vorsitzende dieses Vereins, dazu: „Wir glauben fest daran, dass Integration keine Einbahnstraße ist, sondern ein wechselseitiger Prozess, der auf einem gemeinsamen Erfahrungsaustausch basiert.“
Die Menschen wollen ernst genommen werden und nicht nur Beobachter sein. Sie wollen sich aktiv beteiligen und gestalten. Und das tun sie!
Ja, diese Menschen sind hier angekommen. Reichen wir ihnen die Hand und gestalten wir gemeinsam und respektvoll unser Leben in dieser Stadt.
So geht Vielfalt und so lebt die Demokratie!